Hauptargumente für die heute oft beschworene Zusammengehörigkeit des 'europäischen Kulturraums' sind in der Regel Bindungen und Strukturen, die im Mittelalter ihre erste und entscheidende Prägung erhalten haben. Doch die mittelalterliche Einheit ist problematisch. Sie verdankt sich einem komplexen Mit- und Gegeneinanderwirken verschiedenster Faktoren, die lange Zeit nebeneinander bestanden, aber nicht auseinander ableitbar waren. Viele 'Leistungen' des Mittelalters sind aus einer intern regional- oder nationalkulturellen Entwicklung nicht erklärlich, sondern beruhen auf Transferprozessen. Die Kategorie des 'Transfers' gewinnt hier eine zentrale Bedeutung. Diese ist von der mediävistischen Forschung bisher noch zu wenig beachtet worden und stellt ein aktuelles Forschungsproblem besonders der 'Humanwissenschaften' dar, die das Graduiertenkolleg tragen: der Mittelalterphilologien, der Geschichts-, Buch- und der Musikwissenschaft, der Philosophie- und der Medizingeschichte.
Im Rahmen des Studienprogramms wurden interdisziplinäre Lehrformen erarbeitet und erprobt, aus denen sich mittlerweile der Studienschwerpunkt 'Europäisches Mittelalter' (analog den 'Medieval studies' ausländischer Universitäten) entwickelt hat. Das Kolleg trägt damit dazu bei, die humanwissenschaftlichen Studiengänge stärker auf ihren europäischen Horizont auszurichten.
ForschungsschwerpunkteDer Aspekt des Kulturtransfers eröffnet die Chance, quer zur üblichen Vorstellung nationalkultureller 'Entwicklung' die nichtlinearen Prozeßkomponenten, also Begegnungen und Konkurrenzen, wechselseitige Attraktionen und Abstoßungen systematisch zu beobachten und ihre Wirkungsweise zu bestimmen. Gerade auch die in den Transferprozessen freigesetzten produktiven Innovationen, seien es gewollte oder aus der Not geborene, aus Ablehnung, Bewunderung oder aus schlichtem Mißverständnis hervorgegangene, rücken hierbei in den Vordergrund. Folgender Problemkatalog liegt allen Arbeitsbereichen zugrunde:
Träger des Kulturtransfers
Relation von Geber und Nehmer
Anlässe und äußere Bedingungen
Richtungen und Wege
Mittel und Medien
beabsichtigte Zwecke, beabsichtigte Funktionen
erreichte Zwecke, erreichte Funktionen
Positionen im alten und neuen Bezugssystem
Die Arbeit des Kollegs gliedert sich in sieben Projektbereiche:
Transfer und Transformation der Orient-Vorstellungen
Transfer anthropologischer Theorien zwischen Orient und Okzident
Transfer und Transformation von Texten und literarischen Mustern im volkssprachigen und lateinischen Mittelalter
Transfer und Transformation von Kunst und materieller Kultur
Regionale Differenz und interregionaler Transfer in der Musikkultur
Religiöse Literatur des Islam in lateinischem Gewand und ihre Wirkung
'Arabisierung' und 'Entarabisierung' der mittelalterlichen Medizin
| Stellv. Sprecherin Prof. Dr. Heidrun Stein-Kecks
AntragstellerInnen und BetreuerInnen Prof. Dr. Hartmut Bobzin Prof. Dr. Michele Camillo Ferrari Prof. i. R. Dr. Maximilian Forschner Prof. Dr.-Ing. Günther Görz Prof. Dr. Klaus Herbers Prof. Dr. Hinrich Hudde Prof. Dr. Michael Lackner Prof. Dr. Jürgen Lang Prof. Dr. Angelika Lutz Prof. Dr. Heidrun Stein-Kecks Prof. Dr. phil. Renate Wittern-Sterzel, i. R.
StipendiatInnen 2008 Melanie Bauer Ulisse Cecini Johannes Frey Eike Juhre Christine Manka Anne Scheller
ehemalige StipendatInnen 2002-2007 Alexander Brungs Astrid Bußmann Eliane Engelhard Ingo Fleisch Kirsten Frieling Helen Green Grigore, Mihai-Dumitru Dr. Simone Hespers Brigida Janner-Acero Lenka Jiroušková Georg Jostkleigrewe Johannes Klaus Kipf Tiana Koutzarova Karin Krause Jeremy Llewellyn Agnieszka Madej-Anderson Matthias Maser Stella Montanari Tina Müller Daniela Negwer Prof. Dr. Katharina Philipowski Anne Prior Juliane Rieche Bastian Scherbeck Martin Schmidt Agnes Scholla Alba Scotti Sofia Seeger Nicole Steidl Barbara Steinke PD Dr. Manuel Teget-Welz Dominik Waßenhoven Stefan Weber Lena Weilbächer Sebastian Weiner Angelika Zacher
|