Forschung am Lehrstuhl für Genetik
Die Regulation humoraler und angeborener Immunantworten, sowie die Entstehung von Leukämien und Lymphomen stehen im Zentrum der Forschungsarbeiten am Lehrstuhl für Genetik. Im Rahmen von vier Arbeitsgruppen wird insbesondere an folgenden Themen gearbeitet:
Entwicklung von B-Lymphozyten (T. Winkler, L. Nitschke)
Signaltransduktion von B-Lymphozyten (L. Nitschke)
Regulation von humoralen Immunantworten (F. Nimmerjahn, T. Winkler)
Die Rolle von Antikörpern und Fc-Rezeptoren (F. Nimmerjahn)
Fehlregulation des Immunsystems in Autoimmunerkrankungen
F.Nimmerjahn, T. Winkler,
L.Nitschke)
Virus-spezifische Immunantworten (T. Winkler)
Epigenetische Kontrolle in der Hämatopoiese (R. Slany, T. Winkler)
Molekulare Ursachen der Entstehung hämatopoietischer Neoplasien
(R. Slany)
AG NIMMERJAHN Forschungsprojekte Grundlagen für die Entstehung von Autoimmunerkrankungen Immunantworten und die daran beteiligten Zellen werden durch eine Vielzahl von aktivierenden und inhibitorischen Signalen reguliert. Geringe Abweichungen in dieser Balance können dazu führen, dass die resultierenden Immunantworten entweder zu schwach oder zu stark ausfallen. Dies kann schwerwiegende Folgen, wie etwa unkontrollierte Infektionen mit pathogenen Mikroorganismen oder die Initiation von Autoimmunerkrankungen nach sich ziehen. Antikörper spielen in beiden Fällen eine wichtige Rolle, da sie sowohl ein essentieller Teil des körpereigenen Abwehrsystems, aber auch an der Zerstörung gesunden Gewebes im Rahmen von Autoimmunerkrankungen beteiligt sind. Daher ist die Herstellung von Antikörpern ein Prozess, der durch mehrere Qualitätskontrollpunkte strikt kontrolliert wird.
Ein wichtiger Faktor hierbei ist die Regulation der Signale, die durch den B-Zellrezeptor weitergeleitet werden. Es gibt eine Reihe von Proteinen, deren Fehlen zu einer deregulierten B-Zellantwort führen kann. In unseren bisherigen Studien in der Maus konnten wir zeigen, dass der inhibitorische Fc-Rezeptor (FcgRIIB) auf B-Zellen einen wichtigen Kontrollpunkt in der späten B-Zellentwicklung darstellt. Studien mit Lupus-Patienten und unsere eigenen Ergebnisse mit CIDP (chronische immun-vermittelte demyelinierende Polyneuropathie) Patienten untermauern die wichtige Funktion dieses negativen Regulators auch im Menschen. Neben klassischen Mausmodellen verwenden wir neue humanisierte Mausmodelle, um die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf das humane Immunsystem zu untersuchen. Grundlage für die Aktivität von Antikörpern in Maus und Mensch Ausgangspunkt für unsere Studien war die Beobachtung, dass bestimmte IgG Subklassen besser dazu in der Lage sind, körpereigenes Gewebe im Rahmen von Autoimmunerkrankungen, bzw. Tumor¬zellen im Verlauf einer Immuntherapie zu zerstören. Wir konnten nachweisen, dass eine funktionelle Inaktivierung aller murinen Fc-Rezeptoren zu einem Verlust der Aktivität sämtlicher IgG Subklassen in vivo führte. Im Verlauf dieser Studien konnte zudem ein neuer aktivierender Fc-Rezeptor identifiziert werden (FcgRIV), der spezifisch IgG2a und IgG2b bindet und vor allem auf Neutrophilen und Monozyten exprimiert wird. Durch diese Versuche konnten erstmals die Aktivitäten aller IgG Subklassen eindeutig verschiedenen aktivierenden Fc-Rezeptoren zugeschrieben werden. In weiterführenden Arbeiten konnten diese Ergebnisse auf andere Modellsysteme übertragen werden, wie etwa thera¬peu¬tisch relevante Tumormodelle. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für das murine Immunsystem von großer Wichtigkeit, da FcgRIV das bisher fehlende Ortholog zum humanen FcgRIIIA ist, der eine entscheidende Rolle für die Aktivität von humanen therapeutischen Antikörpern spielt. Gegenwärtig versuchen wir aufgrund dieser Vordaten Zellpopulationen zu identifizieren, die für die IgG vermittelten Effektorfunktionen verantwortlich sind.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der funktionellen Analyse von Antikörper-Glykosylierungsvarianten. Jedes IgG Molekül besteht neben dem Proteinrückgrat aus einer Zuckerkette, die aus einem Kerngerüst und einer variablen Anzahl an terminalen und verästelten Zuckerresten wie Fukose, Sialinsäure und Galaktose besteht. Neben ihrer lange bekannten strukturellen Funktion für die korrekte Antikörper-Faltung wird immer klarer, dass Glykosylierungsvarianten eine stark veränderte Funktionalität bewirken können. Dies hat eine sehr wichtige Bedeutung für den Einsatz dieser Antikörpervarianten in der humanen Krebstherapie, aber auch für die Verwendung von IgG Präparationen als Entzündungs-hemmendes Medikament in der Therapie von Autoimmunerkrankungen (sog. IVIg-Therapie). Eine Reihe von Projekten versuchen diesen IgG vermittelten anti-inflammatorischen Mechanismus genauer zu verstehen. AG NITSCHKE Forschungsprojekte B-Lymphozyten sind Zellen des adaptiven Immunsystems, die eine Antikörper-vermittelte humorale Immunantwort einleiten. Wir interessieren uns für die Signale, die die Reifung und die Funktion von B-Lymphozyten (oder B-Zellen) steuern. Um die Funktion von B-Zellen in vivo untersuchen zu können, stellen wir genetisch veränderte Mauslinien her, in denen in B-Zellen vorkommende Proteine ausgeschaltet oder mutiert werden. Die so erhaltenen "knockout"- oder "knockin"- Mäuse dienen als Modellsysteme, um die normale Funktion des Immunsystems, sowie dessen pathologischen Veränderungen in Krankheitsprozessen zu verstehen.
CD22 ist ein B-zellspezifisches Transmembranprotein, das mit dem B-Zellrezeptor (BCR, z.B. IgM) assoziiert ist und in dessen Signalkette mit eingreift.
Von uns hergestellte CD22 knockout Mäuse zeigten eine stark erhöhte BCR Signalleitung, gemessen als Ca2+ Einstrom in die B-Zelle. Das bedeutet, dass CD22 ein wichtiger Inhibitor der BCR-Signalleitung ist, der unkontrollierte Aktivierung von B-Zellen verhindert, die zu Autoimmunität oder Lymphom Entstehung führen könnte (Nitschke 2009) CD22 ist außerdem ein Adhäsionsmolekül. Es bindet an alpha2,6-verknüpfte Sialinsäure (2,6Sia) und kann dadurch Zell-Zelladhäsion bewirken. Es gehört zu der Familie der Siglecs (Sialic acid binding Immunoglobulin-like lectins), einer Familie von Adhäsionsmolekülen, die alle spezifisch-verknüpfte Formen von Sialinsäure als Liganden erkennen. Durch Analyse der CD22-defizienten Mauslinie und Folgearbeiten konnten wir eine neue Funktion von CD22 aufklären. CD22 dient reifen, rezirkulierenden B-Zellen vermutlich als Homingrezeptor, um aus der Peripherie ins Knochenmark zurückzuwandern (Nitschke 1999). Uns interessiert auch, wie die Bindung von CD22 an Liganden die Signalleitung des BCR reguliert. Das untersuchen wir mit neuen genetisch veränderten Mauslinien, in denen die Ligandenbindende Domäne oder die ITIM Motive von CD22 selektiv mutiert sind.
Siglec-G ist ein weiterer B-zell spezifischer Ko-Rezeptor, dessen Funktion wir kürzlich aufklären konnten. Siglec-G ist ein inhibitorischer Rezeptor für eine bestimmte Klasse von B-Lymphozyten, den B1-Zellen. Siglec-G-defiziente Mäuse zeigten eine starke Expansion von B1-Zellen, erhöhten Ca2+ Einstrom in B1-Zellen und eine erhöhte Produktion von IgM Antikörpern (Hoffmann 2007). Siglec-G ist zusammen mit CD22 für die Verhinderung von Autoimmunantworten verantwortlich, denn Siglec-G x CD22 doppel-defiziente Mäuse zeigen spontane Autoimmunität, die durch Autoantikörperbildung und Glomerulonephritis gekennzeichnet ist (Jellusova 2010). Die funktionelle Bedeutung von CD22 und Siglec-G in der Verhinderung von Autoimmunität wird in der Arbeitsgruppe weiter bestimmt. Außerdem wird die Funktion und biologische Bedeutung weiterer Siglecs und intrazellulärer Signalmoleküle in B-Zellen untersucht. AG WINKLER Forschungsprojekte Der Schwerpunkt der Forschungsarbeiten liegt auf den Selektionsprozessen während der verschiedenen Stadien der Entwicklung der B-Lymphozyten. Während der frühen B-Zelldifferenzierung untersuchen wir die genetischen Mechanismen, die die Entwicklung der Lymphozyten steuern. Die Entstehung von Autoantikörpern in der Autoimmunerkrankung systemischer Lupus erythematosus ist ein weiterer Fokus unsere Forschungen. Außerdem untersuchen wir in einer engen Kooperation mit der Arbeitsgruppe Michael Mach im Virologischen Institut in Erlangen Antikörper-vermittelte Immunantworten gegen Cytomegalieviren und versuchen neuartige Therapiestrategien zu entwickeln. Für unsere Forschung verwenden wir in den meisten Fällen Mausmodelle, die in unserem Labor auch selbst hergestellt werden (knock-out Mäuse, knock-in Mäuse, transgene Mäuse). Regulation der VDJ - Rekombination Während der Differenzierung der B-Lymphozyten werden die Gene für die Antikörpermoleküle (Immunglobuline) in einem genetischen Umlagerungsprozess zusammengebaut. Dieser Rekombinationsprozess ist für die extrem hohe Vielfalt der Antikörpermoleküle verantwortlich. Wir interessieren uns für die Regulation dieses Prozesses, der VDJ-Rekombination genannt wird. Aus einzelnen Genelementen (V-, D- und J-Elemente) entsteht in einem in der Natur einzigartigen Prozess eine immense Vielfalt von verschiedenen Antikörpergenen. Während der molekulare Mechanismus der VDJ-Rekombination recht gut verstanden ist, ist es noch unklar, wie die VDJ-Rekombination reguliert wird. Obwohl alle 7 Antigenrezeptor-Gene (3 Immunglobulin-Gencluster und 4 T-Zell-Rezeptor-Gencluster) von der gleichen VDJ-Rekombinations-Maschinerie umgelagert werden, ist die Expression strikt reguliert. Antikörpergene werden nur in B-Lymphozyten, T-Zell-Rezeptorengene nur in T-Lymphozyten umgelagert. Ausserdem sind die Genumlagerungen der schweren und leichten Ketten der Antikörpergene in der Entwicklung der B-Lymphozyten zeitlich reguliert. Schließlich exprimiert jeder B-Lymphozyt nur jeweils eine schwere und eine leichte Kette, ein Phänomen, dass Allelausschluss genannt wird.
Der Schwerpunkt unserer Forschungsarbeiten liegt auf der Zugänglichkeit der Immunglobulin schweren Kettengene (IgH-Lokus) für die VDJ-Rekombinase. Wir untersuchen die epigenetischen Mechanismen der Regulation mit den Methoden der Chromatin-Analyse (ChIP-on-ChiP, ChIP-Seq) und versuchen essentielle regulatorische Sequenzen im IgH-Genlokus mittels gene-targeting zu identifizieren. Mechanismen der Entstehung und Pathogenese von Autoantikörpern Autoantikörper gegen DNA sind charakteristisch für die Autoimmunerkrankung systemischer Lupus erythematodes (SLE). In unserer Arbeitsgruppe untersuchen sowohl wir die Mechanismen der immunologischen Fehlregulation, die für die Entstehung dieser Autoantikörper verantwortlich sind, als auch die Bedeutung dieser Autoantikörper in der Pathogenese, insbesondere für die Glomerulonephritis.
In unseren Forschungsprojekten arbeiten wir an Mausmodellen für den SLE. Hierfür verwenden wir spontane Mausmodelle für die Erkrankung und genetisch modifizierte Modelle, die wir mittels gene-targeting im Labor hergestellt haben. Aktuell verfolgen wir das Konzept, dass diese Autoantikörper auf Grund von Fehlregulationen während der sogenannten Keimzentrumsreaktion entstehen. In einem von uns erzeugten Mausmodell, in dem ein von einem SLE-Patienten abgeleiteter Autoantikörper in der Maus exprimiert wird, wird dieses Konzept überprüft. Antikörper-vermittelte Abwehrmechanismen gegen Cytomegalieviren Infektionen mit dem Zytomegalievirus verlaufen in der Regel ohne Krankheitssymptome und das Virus ist weltweit in etwa 50 – 90 % der Bevölkerung verbreitet. Schwerwiegende Erkrankungen treten dann auf, wenn das Immunsystem wie z.B. nach einer Transplantation stark geschwächt ist. Ausserdem ist das humane Zytomegalievirus eine wichtige kongenitale Infektion mit zum Teil schwerwiegenden pränatalen Manifestationen.
Unsere Forschungsarbeiten, die wir in einer Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Michael Mach am Virologischen Institut durchführen, haben das Ziel, die Antikörper-Antwort gegen dieses Virus besser zu verstehen und darauf basierende neue therapeutische Konzepte zu entwickeln.
Wir untersuchen sowohl das humane Zytomegalievirus (HCMV) als auch das Maus-Zytomegalievirus (mCMV). Mit den Forschungen an der mCMV-Infektion versuchen wir, klinisch relevante Situationen der Immunsuppression nach Knochenmarkstransplantation nachzustellen. Neue Therapiekonzepte unter der Verwendung von Gedächtnis-B-Lymphozyten und von neuen monoklonalen Antikörpern werden in diesen Mausmodellen untersucht. In einer Kooperation mit der Medizinischen Klinik V der Universität Erlangen soll eine klinische Prüfung dieser Konzepte am Patienten erfolgen. AG SLANY Forschungsprojekte
Steuerung der normalen und malignen Hämatopoiese
Aberrante Chromatinmodifikation durch MLL Fusionsproteine als Auslöser für Leukämien
Biologische Funktion der HOX Homeoboxgene während der Differenzierung und Reifung von hämatopoietischen Zellen
Ein Forschungsschwerpunkt der AG Slany beschäftigt sich mit den MLL Fusionsproteinen und ihrer Funktion bei der Entstehung von Leukämien. MLL Fusionen werden als Folge von chromosomalen Aberrationen aus N-terminalen Anteilen der Histon-Methyltransferase MLL leukemia) und einer Reihe von verschiedenen Fusionspartnern gebildet. Dabei geht die spezifische Methyltransferasefunktion des MLL verloren und wird durch die neuen Eigenschaften der Fusionspartner ersetzt. In der Konsequenz entsteht dadurch ein leukämogenes Molekül, das die Ursache eines speziellen, sehr aggressiven Leukämie-Subtyps ist.
Bei unseren Untersuchungen wurde deutlich, dass viele MLL Fusionspartner spezielle Transkriptionsaktivatoren sind. Wie wir zeigen konnten, handelt es sich dabei aber nicht um „klassische“ Transkriptionsaktivatoren, die RNA PolII rekrutieren, sondern um eine neue Klasse von Aktivatorproteinen. Mehrere der evolutionär hoch konservierten MLL Fusionspartner sind Bestandteile eines Komplexes, der über die Rekrutierung der H3K79 Methyltransferase DOT1L und der RNA Pol II Kinase CDK9 (im Komplex mit Cyclin T als „positive transcription elongation factor b = pTEFb“) die transkriptionelle Elongation positiv beeinflussen und auf diesem alternativen Weg „post-initial“ die Transkription befördern kann. Die kontinuierliche Stimulierung der mRNA Synthese durch die MLL Fusionsproteine führt in der Konsequenz dazu, dass hämatopoietische Differenzierung blockiert wird, da bestimmte, normalerweise unter Kontrolle von MLL stehende Gene nicht mehr abgeschaltet werden können. Die für die Transformation hauptsächlich verantwortlichen Zielgene der MLL Fusionsproteine sind die HOX Homeoboxgene und deren Proteindimerisierungspartner aus der MEIS Familie mit denen sich unser zweiter Arbeitsschwerpunkt beschäftigt.
HOX Homeoboxproteine sind potente Onkogene im hämatopoietischen System. In einer Vielzahl von akuten Leukämien unterschiedlicher Genese findet man HOX Proteine, vor allem aus der Paraloggruppe „A“ und deren Proteinbindungspartner MEIS1 überexprimiert. Dadurch wird die hämatopoietische Differenzierung blockiert und hoch-proliferative Vorläuferzellen akkumulieren als „prä-Leukämie“. Uns interessiert, wie HOX Proteine zelluläre Transformation auslösen können. Da HOX Proteine selbst wiederum Transkriptionsfaktoren sind, ist für ein Verständnis deren Wirkungsweise vor allem die Kenntnis der, von HOX Proteinen regulierten, Gene von Bedeutung. Bei Untersuchungen des besonders potent leukämogenen HOXA9 Proteins konnten wir zeigen, dass die von HOXA9 ausgelöste Transformationskaskade z.B. das bekannte Onkoprotein c-MYB beinhaltet. Daneben untersuchen wir auch die onkogenen Eigenschaften aller anderen Mitglieder der „HOX-A“ Gruppe.
| Leitung Prof. Dr. Falk Nimmerjahn
Professoren Prof. Dr. Falk Nimmerjahn Prof. Dr. Lars Nitschke Prof. Dr. Robert Slany Prof. Dr. Thomas Winkler Prof. i. R. Dr. Georg Fey Prof. Dr. Anja Lux
Sekretariat Elke Charpin Katja Suenkel
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